Eine Zugfahrt Richtung Irgendwo. Ein sonores Rauschen, ein zupfiges Quietschen der Schienen, etwas Geholper und die Welt die auf grossem Panorama Screen an einem vorbei rauscht.
Ich weiss, ich weiss – denken wir doch einfach an die Sorte Zugfahrten, welche man erlebt, wenn man in die Ferien geht, zauberhafte Ortschaften durchquert und ein bisschen die Idee im Kopf hat, man wäre in einem romantischen Film alter Tage.
Die Realität sieht wohl etwas anders aus – irgendwie steriler, praktischer und auch nüchterner?
Moderne Hochgeschwindigkeitszüge sind der schnelle Luxus auf Schienen von heute.
Da ich tatsächlich öfter Zug fahre, als fliege (wer hätte das gedacht), fühle ich mich in Zügen irgendwie sicherer. Naja, eigentlich logisch – wir sind ja schon am Boden. Ha!
Züge sind eine tolle Alternative zum Flugzeug oder dem Auto.
Nach 522 Seiten eines Buches oder einem kurzen Mittagsschläfchen kann man schon in einer anderen Stadt oder einem anderen Land aufwachen. Herrlich.
TAGTRÄUME
So wie der Zug als Verkehrsmittel heute genutzt wird, bleibt wohl kaum Raum für Gedanken an Nostalgie, Eleganz oder Luxus.
Die Vorstellung daran, dass man am Waggon empfangen und zum Platz geleitet wird? Eher nicht.
Erwartungen an ein Interieur aus warmem Teakholz oder grossen, bequemen Sesseln statt schnöden Sitzen? Schön wär’s.
Die Idee, dass im Lounge-Bereich des Speisewagens Bing Crosby ein Stück auf dem Piano spielt, während man selbst eine Kirsche im frisch servierten Shirley Temple umher rührt? Come on!
Aber genau das wollte ich! Man kann doch heutzutage alles kaufen, weil’s alles gibt. Alles!
Also wird’s doch wohl auch Züge geben, welche meinen cinematographisch-romantischen Vorstellungen entsprachen.
TRAIN SPOTTING
Als ich Ende 2017 im Kino sass und eine Überdosis Popcorn auf „Mord im Orient-Express“ intus hatte, entschied ich – „Nostalgische Zugfahrt, ich komme!“.
Wäre doch gelacht, wenn man sich so was nicht irgendwo buchen konnte.
Schnell fand ich raus, dass der N°1 Anbieter in diesem Bereich Belmond ist. Sobald man auf die Website klickt ahnt man, dass eine Reise mit den Belmond Zügen wohl etwas mehr kosten würde, als eine Zugfahrt von Zürich nach Mailand.
Bevor ich meine Spardose checken konnte, war ich von den funkelnden Belmond Angeboten an Erlebnissen; zu Wasser, auf Schienen oder an Secret Spots in super-luxuriösen Hotels, gefesselt.
Gedanklich lag ich sofort in einer der Kabinen des Simplon Orient-Express. Egal welche Destination.
Einfach nur einsteigen, abfahren und durch Europa pendeln. Das wollte ich!
Wird ja wohl kein Problem sein, sofort eine Kabine in der Crème de la Crème der Zugreisen zu buchen.
Nix da. Alle angebotenen Fahrten, zumindest zur Buchung einer Einzelkabine, waren dazumal auf vier Monate im Voraus ausgebucht.
Holà, bei den Preisen. Entweder hat der Zug nur 10 Kabinen oder die Leute haben echt noch das Portemonnaie locker sitzen.
Ich klickte weiter und fand schliesslich eine Fahrt im April. So lange konnte und wollte ich nicht warten. Da musste vorher noch was anderes laufen, zwischen Train & Me.
Und wie es lief!
Umgehend buchte ich mir für Februar eine Tagesreise mit dem Belmond British Pullman, der kleinen Schwester des Orient Express.
Dies sollte meine Testfahrt an Nostalgie, Eleganz und Luxus auf Schienen werden, während die Kür im April noch etwas auf sich warten liess.
VORFREUDE
Die Silvesterknaller waren verraucht, die Trübsinnigkeit des Januars verflogen, der Februar konnte also kommen.
Kurz vor Abflug gen London erhielt ich ein kleines Paket. Obwohl ein normales Papierticket in einem Umschlag auch gereicht hätte, wurde ich von der Belmond-Welcome-Box bereits verzaubert.
In einem Belmond-Tütchen befanden sich alle Reiseinformationen, gedruckt auf seiden-mattem Papier, hübsch verpackt in einem weiss schimmernden Karton.
Also das nenn ich ja mal ein Zugticket. Das hatte echt Klasse! Meine Vorfreude stieg.
Die Details auf dem Ticket-Büchlein erinnerten mich nochmals daran, dass es für einen Tagesausflug von London Victoria Station nach Bath in Somerset und wieder zurück ging.
Ich kannte die Landschaft der Cotswolds und freute mich schon auf den Ausblick aus einem Panoramafenster. Denn die Cotswolds aus Zug-Perspektive hatte ich noch nicht erlebt.
Zugfahrt Ahoi!
Eines Februarmorgens düste ich also endlich nach London.
Der Belmond British Pullman wartete an der Victoria Station auf mich, welche von meinem Hotel nur zehn Minuten entfernt lag.
Ich sprang in ein Taxi, um mich schnell durch den hektischen Morgenverkehr Londons zu schlängeln.
‚Das mit der deutschen Pünktlichkeit war dann wohl nix‘, dachte ich mir als ich ankam.
Die British Upper Class hatte sich schon vor der Belmond-Empfangslounge versammelt und mir meinen „Ich bin als erster da!“-Platz abspenstig gemacht.
Egal. Ich atmete durch und genoss den Anblick des stehenden Zuges. Nostalgie zum Greifen nah.
Ein freundlicher Belmond-Barista reichte mir nach der Anmeldung einen heissen Café, frisch kredenzt an seiner Belmond-Coffee-Theke, mitten auf dem Belmond-Bahnsteig.
Was für ein smoother Empfang. Die Belmond Crew wusste anscheinend was mich catcht.
BOARDING
Kaum wurde das Boarding-Gate zum Zug freigegeben, strömten die Passagiere auch schon auf das Gleis zu ihrem Abteil.
Fleissig wurden erst mal Fotos mit dem Zug geschossen. Schade, dass man ihn nicht umarmen konnte.
Am Einstieg begrüsste mich ein netter Gentleman in Anzug und Fliege und begleitete mich zu meinem Platz.
Ach, was rede ich – zu meinem Couch-Chair und einem gedeckten Tisch, der für die nächsten drei Stunden nur mir gehörte.
Das kleine Reich, aka Zugabteil, musste zunächst einmal inspiziert werden.
Das Dekor erinnerte an das Wohnzimmer einer reichen Uroma. Nur das man sich hier hinsetzen und alles anfassen durfte.
Die Einrichtung war gediegen und geschmackvoll. Der Stil alter Tage lud zum Wohlfühlen ein.
Die warmen Akzente des Interieurs in diesem Wagen umhüllten einen sofort mit Gemütlichkeit.
Hier liess es sich aushalten auf hohem Niveau!
ETWAS GESCHICHTE
Im Andenken an George Mortimer Pullman, dem Vater aller Luxuszugreisen, verkörpern die Pullman Waggons auch heute noch Luxus auf Schienen.
Jeder Waggon ist individuell benannt und erzählt eine einzigartige Geschichte.
Selbst die königliche Familie hat einige davon schon häufig benutzt.
Andere haben bereits Präsidenten wie Charles de Gaulle und Nikita Chruschtschow befördert. Und zwei der Waggons waren Teil des Begräbniszuges von Winston Churchill.
Geschichtsunterricht par excellence, live zum Miterleben!
Der älteste Waggon, Ibis, stammt aus dem Jahr 1925. Andere wie Audrey und Vera überstanden 1940 die Bombardierung der Londoner Victoria Station, so erzählte man mir.
Nostalgie auf Schienen
Schon bei Fahrtantritt mit dem Belmond British Pullman, dem Gegenstück zum berühmten Venice Simplon-Orient-Express, spürt man, wie es gewesen sein muss in den goldenen Zeiten luxuriöser Zugreisen.
Der Zug versetzte mich sofort in die glamouröse Vergangenheit, die ich gesucht hatte.
Ich nahm Platz in einem der nostalgischen und originalgetreu restaurierten Waggons aus den 20er Jahren, die früher als „Brighten Belle“ oder „Golden Arrow“ bekannt waren.
INNENANSICHTEN
Mein Waggon hiess Zena und hatte all das, was die anderen Waggons auch hatten. Nur das gelb-gold-braune Dekor unterschied sich von den anderen.
Dies konnte ich erkennen, als ich in einer ruhigen Minute durch die anderen Abteile schlich.
Ich war beeindruckt von den wunderschönen Art-Deco-Wagen dieses Oldtimer-Zuges, von denen jeder seine eigene, bemerkenswerte Geschichte und Einrichtung hatte.
‚Beeindruckt sein’ war offensichtlich mein Dauerzustand an Board!
Während der Zugfahrt muss man ja irgendwann mal zum WC. Bei dem vielen Champagner, der ständig nachgeschenkt wird, auch kein Wunder.
Toiletten in Zügen sind immer irgendwie der Härtetest, dem ich meist versuche aus dem Weg zu gehen.
Umso neugieriger war ich, was mich wohl hier im Belmond British Pullmann erwartete.
Als ich die WC-Tür hinter mir schloss und mich umdrehte, dachte ich mir: ‚Holy Smokes’.
Die von Belmond zogen ihn echt voll durch, den royalen Touch. Sogar bis ins Badezimmer.
Ja, richtig gelesen. Ich stand mitten in einem Zug, in einem Badezimmer.
Natürlich fehlte es an Dusche oder Badewanne aber es hätte mich nicht gewundert, wenn man die auch noch irgendwo rausziehen konnte.
Es duftete nach Limonen-Sorbet.
Das Waschbecken war verziert mit einem kleinen Blumenbouquet, welches von den warmen Sonnenstrahlen geküsst wurde, die durch das bunte Fensterglas fielen.
Dunkles Holz, ein Mamor-Waschbecken und die Mosaik-Steinchen des Bodens brachten mich zum Staunen.
So kann eine Zugtoilette also auch aussehen. Alles klar!
Schnell wusch ich mir die Hände. Schon allein um die Seife und die Lotion auszuprobieren. Schliesslich arbeite ich in der Kosmetikindustrie und musste wissen, wie eine Handcreme aus dem letzten Jahrhundert roch.
Eher ungewöhnlich für mich auf einer Toilettenanlage mein iPhone rauszuholen, aber das musste ich fotografisch einfach festhalten.
Dann klopfte es an der Tür. Anscheinend wollte noch jemand dringend Fotos machen, von dem gemütlichen Zug-Badezimmer. Verständlich!
KULINARISCHES
Die Speisekarte bietet Gerichte aus den besten saisonalen britischen Inselprodukten, die auf innovative oder klassische Weise zubereitet werden.
Es duftete nach leckeren Köstlichkeiten, als ob man an Board sogar eine eigene kleine Bäckerei beherbergte.
Ich muss gestehen, ich bin eher der 1-Gang-Menü-Lover. Dennoch war die Fahrt für mich ein kulinarischer Höhepunkt.
Noch bevor der Schaffner die Pfeife zur Abfahrt trillerte, hielt ich meinen ersten Bellini in der Hand.
Adrett uniformierte Stewards schenkten mir immer wieder nach. Ob sie wohl nur Mitleid hatten, dass ich so ganz allein an meinem kleinen Single-Tisch sass?
Während der Zug durch malerische Landschaften schlängelte wurde ein köstlicher Brunch gereicht.
Man servierte Frühstückselemente aus Süssem und Herzhaftem. Zum Glück hatte ich meinen „Calories-off“-Tag.
Ich genoss also meinen fabelhaften Brunch an einem Tisch, der mit makellos weissen Leinen, speziell in Auftrag gegebenem Porzellan und funkelnden Glaswaren eingedeckt war.
Herrlich entspannt knabberte ich an meinem Blini mit Omelette, während die Stewards sich um unser aller Bedürfnisse kümmerten.
Bei der Rückfahrt am Nachmittag, von Bath nach London, wurde ein wundervolles Early-Dinner gereicht.
Es hat auch Vorteile, wenn man Single-Trips unternimmt. Wie hier, gehört einem dann die Flasche Wein ganz allein.
Da ich kein Gourmet bin, kann ich mich an die einzelnen Köstlichkeiten nicht mehr erinnern. Ich weiss nur, am nächsten Tag dürfte es wohl nicht geregnet haben!
PANORAMA BLICK
Mir fiel auf, dass fast niemand während der Fahrt Zeitung las, auf einem Laptop tippte oder auf sein Handy starrte. Kein typischer Anblick, den ich sonst auf meinen Zugreisen beobachte.
Warum sollte man auch? Das extravagante Schauspiel im Zug und die vorbei rauschende Welt waren faszinierend genug.
Ich erfreute mich an diesem spektakulären Panoramablick, während ich an meinem Wein nippte und der Zug an der abwechslungsreichen malerischen Landschaft der Cotswolds vorbeifuhr.
***
Für mich war der Ausflug von London nach Bath mit dem Belmond British Pullman das Highlight der letzten Wochen.
Der perfekte Auftakt in ein neues Jahr, abgeschmeckt mit Nostalgie, einem Schuss Noblesse und einer Prise Luxus.
War es das Extra-Taschengeld, für eine Tagesreise mit einem historischen Zug, wert? Auf jeden Fall!
Ein Einkaufsbummel in der Bahnhofstrasse in Zürich oder ein Ausflug ins Disneyland hätten meinen Geldbeutel wohl gleichermassen erleichtert.
Nur wird mir dieses Erlebnis eine zeitlose Erinnerung verschaffen:
Eine der dauerhaften Eleganz auf Schienen!
2 KOMMENTARE
Endlich ein Reiseblog, der es schafft, Atmosphäre zu erzeugen und der einen während des Lesens von der eigenen nächsten Reise träumen lässt. Danke, liebe Anna, für die Inspirationen und das Mit-Erleben lassen!
Liebe Simone, danke für deinen lieben Kommentar. Das beflügelt mich. Geniess die Texte. Hoffe, du findest bald wieder etwas interessantes auf meinem Blog. Anna