Kann allein Reisen wirklich von Vorteil sein? Fühlt man sich da nicht viel zu einsam?
Eine Sache schon mal vorweg: allein sein, heisst nicht einsam sein. Für mich, ganz im Gegenteil. Nach einer hektischen Woche, Kontakt mit vielen Menschen, Diskussionen, Erlebnissen, Eindrücken heisst allein sein, für mich, Atmen!
Um es kurz zu beschreiben: Man stelle sich einen gefüllten Meetingtag vor, lauten Maschinen am Arbeitsplatz oder die Landung nach einem 12h Transatlantik-Flug, egal wie – laut, nervig, erfüllt aber anstrengend.
Und dann kommt man nach Hause in eine Oase der Stille und Verlassenheit. Beim Eintreten dröhnt der Tag noch im Ohr und man denkt „hach, herrlich, Ruhe“. Das meine ich! So geht es mir, wenn ich allein umher gejettet bin.
Nun sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich durchaus mit Freunden, Familie und Kollegen verreise oder generell gern mit Menschen, die ich mag, unterwegs bin. Aber eben, die Balance macht’s. Und ehrlich gesagt, könnte ich wählen, würde ich eher allein mit meinem Köfferchen durch die Weltgeschichte düsen.
Wie ich schon in meinem ersten Blog beschrieben habe, kommt man mit Menschen schnell ins Gespräch, wenn man das Thema Reisen anschneidet. Das ist immer leicht verdaulich, mit Unterhaltungswert und inspiriert zum Fernweh.
Wenn ich in solchen Gesprächen dann hier und da erwähne, dass ich in der grossen weiten Welt zumeist allein unterwegs bin, stosse ich schon mal auf erstaunte Gesichter.
Diesen folgt: Frage Nummer 1: „Oh Mann, hast du da keine Angst?“. Frage Nummer 2: „Bist du da nicht einsam?“. Frage Nummer 3: „Ist das nicht komisch, zB. allein in Restaurants oder Bars?“.
Ich mach’ es kurz: 1.-3. NEIN!
Interessanter wären für mich noch Fragen wie: Wie schützt du dich in kritischen Situationen? Hast du schon mal Erfahrungen gemacht, wo es besser gewesen wäre, zu zweit gewesen zu sein? Warum reist du allein? Was ist der Unterschied zu Reisen als ‚gemischtes Doppel‘ oder in der Gruppe? Wie machst du das in Restaurants oder Bars, wenn es heisst „Table for one!“? Das wären doch durchaus spannende Fragen.
In diesem Beitrag erzähle ich euch, was meine persönlichen Vorteile am allein Reisen sind, wie meine Tagesgestaltung im Irgendwo aussieht und wie man sich eben nicht allein fühlt, auch wenn man allein unterwegs ist. Get Inspired!
Reise nur mit Menschen, die du liebst
Ernest Hemingway sagte einmal:
„Only travel with someone you love“
Sagt man zumindest… Keine Ahnung ob das stimmt. Wie mit allen Zitaten von Menschen die ich nie kennengelernt habe und wo ich mich immer frage, wer denn deren Sprüche aufgeschrieben, in Stein gehämmert oder mit Feder und Tinte auf Pergament gepinselt hat? Wie auch immer. Jedenfalls, kluger Satz, Ernie!
Wo dem ein oder anderen der Gedanke kommt „Oh ja, mit dem und dem verreise ich gern, wir haben ne Menge Spass und wir verstehen uns prima“, denke ich nur „Oh ja, Volltreffer – ich verreise mit demjenigen ‚that I love‘“ – nämlich, mit mir selbst.
Und wer jetzt denkt, dies sei egoistisch gedacht, erinnere sich bitte nur selbst an übliche Momente und Diskussionen in den Ferien, die bei jedem schon mal irgendwie vorgekommen sind, wie: „Auf welcher Bettseite schlafe ich? Ich will aber die Linke! Kommst du mit zum Frühstück oder muss ich schon wieder alleine gehen? Gehen wir Shoppen, Wandern oder Tontaubenschiessen? Haben wir uns nix mehr zu sagen nach 48h im Paradies?“
Genau das braucht es auch – genau diese Momente. Aber wieso nicht ab und zu mal darauf verzichten? Genau!
Freiheit? Ja, so in etwa!
Kein einziger Blogtext reicht aus um die Freude, Euphorie und ja, verdammt, die gefühlte Freiheit zu beschreiben, die ich empfinde, wenn ich allein unterwegs bin.
Freiheit – das ist genau das richtige Wort, um zu beschreiben, wie sich allein reisen für mich anfühlt.
Heutzutage wo man alles immer muss, ist es eben Luxus, nicht diskutieren zu müssen, nichts sagen oder fragen zu müssen, keine Kompromisse eingehen zu müssen. Einfach mal Stille. Schweigen. Nur mit sich.
Dieser Moment, in dem ich in meinem Superiour Room von der Eingangstür aus ins Zimmer renne und mit einem zufriedenem Grinsen, ausgebreiteten Armen, und wehendem Haar, mich wie eine 5-Jährige aufs Bett schmeisse und denke: „Alles meins! Und ich schlafe in der Mitte, so!“
Zu allem Glück, gehören dann noch beide Schoko-Tafeln, die auf dem Kopfkissen liegen, mir allein.
10 Vorteile des Alleinreisens
Wenn ich meine Reise-Fotos per elektronischem Daumenkino rückwärts betrachte, muss ich sagen, dass ich gar nicht mehr weiss, wie oft ich allein oder in Gesellschaft gereist bin – Boyfriend, Beste Freundin, Bekannte, Familie. Alles dabei gewesen und ich hatte immer die beste Zeit, mit jedem von ihnen.
Seitdem ich eine eigene Kreditkarte besitze, wurde das Reise-Leben noch leichter für mich. Ginge mir jemand auf den Keks, hätte ich die Freiheit, mir ein neues Zimmer, dieses Mal mit Terrasse und 2 Stockwerke höher zu nehmen und falls es nötig wäre, wieder allein zu sein. Herrlich. Alles können und nichts müssen – unbezahlbar.
Zum Glück, hatte ich diese Situation noch nie. Aber was für ein abenteurlicher Gedanke.
Wie gesagt, ich hatte mit meiner Reise-Begleitung eigentlich immer tolle Momente. Die auch mit mir? Hab nie ’ne Umfrage gestartet.
Und grundsätzlich sind Konflikte auf zwischenmenschlicher Ebene ja auch was Gutes. solange am Ende nicht der Koffer des anderen im hohen Bogen über die Balkonbrüstung direkt rein in den unterhalb liegenden Pool fliegt.
Aus eigener Erfahrung kann ich die Vorteile des Alleinreisens in 10 Punkten zusammenfassen, vielleicht erkennt sich der ein oder andere ja darin wieder:
#1 Destination auswählen
Ich habe immer eine kleine Weltkarte in meiner Tasche dabei – leider sind Globen zu sperrig und unpraktisch, sonst könnte man einen von denen in meiner Handtasche finden.
Ich entscheide so weit es geht spontan, wohin es gehen soll. Ein erster Blick auf meine 100 Places to be-Liste, ein Quercheck auf meiner Landkarte und dann ist ziemlich schnell entschieden, welche 2-3 Destinationen zur Auswahl stehen.
In weniger als 10 Minuten habe ich rausgefunden, welches Wetter und Klima zur anvisierten Reisezeit dort herrschen, was im Schnitt der Flug und das Hotel kostet und wie sicher es dort ist (man weiss ja nie).
Es dauert meist keine 24h und ich habe mich für eine der Destinationen entscheiden. Will sagen, ich muss nicht lange abwägen oder mit einer Begleitung hin und her jonglieren wohin es gehen soll. Süsse Freiheit, da ist sie wieder.
#2 Aktivitäten planen
Ich kann easy von mittags bis Sonnenuntergang in der Sonne liegen, lesen, schreiben, Notizen machen, einfach nix tun.
Wenn man 4h jeden Tag zur Arbeit pendelt (man sieht, ich zieh’s durch mit dem unterwegs sein), dann ist mir egal ob irgendwelche Stachelrochen da vorn im Wasser warten, da oben an der Palme ein paar Kokosnüssen gepflückt werden wollen oder am Nachmittag im Hotel-Executive-Club ein Abenteuer Ausflug zum nächsten „das gibts nur hier“-Hot Spot stattfindet.
An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass ich wahrscheinlich die meisten Must-See’s & Must-Do’s, die man in Reiseführern und Geheimtipp-Travel-Guides findet, mitgemacht, gesehen und gegessen habe oder hochgestiegen bin – so langweilig bin ich nun auch wieder nicht.
Desto weniger vermisse ich heute etwas, wenn ich mal nichts mache. Ich bin bedient. Ich schätze sehr, dass ich heute das machen kann, worauf ich Bock habe und dies in der Sekunde entscheide, in welcher mir die Idee kommt. Ohne gross zu planen.
Ich lasse mir meistens alles offen, was die Tagesgestaltung vor Ort betrifft. Das allein ist schon ein Gewinn, in meinem ganz schön control-gefreaktem, durchgetaktetem Leben.
#3 Für nichts verantwortlich sein, ausser für sich selbst
„Schatz, hattest du nicht mein Ladekabel für den Rasierer eingepackt?“. „Nee, ich hab es doch auf den Tisch gelegt bevor wir raus sind.“ „Hab ich nicht gesehen, verdammt. Ich dachte du steckst es ein. Womit rasier ich mich jetzt? Na danke schön…“
Wenn ich meine Reise plane – vom Kofferpacken bis hin zum Transfer bei der Rückreise, bin ich für alles allein verantwortlich. Wenn ich etwas vergessen habe, werde ich mich vor lauter Wut und Frust wohl sicher nicht vorm Badezimmerspiegel im Hotelzimmer anschreien oder selbst eine runterhauen. (Hahah. Stelle mir das grad bildlich vor)
Streitpotenzial, Ärgernis und noch mehr Falten also gleich Null.
Man lernt unheimlich viel über sich selbst. Zum Beispiel wie unabhängig man sein kann, ob man es mag oder nicht und ob man damit zurecht kommt, mit dem Alleinsein.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: anfangs ist es komisch, zum Beispiel seine Ferien allein auf den Malediven – aka Honeymoon-Couple-Paradise – zu verbringen. Aber hoppla, danach stellt man unter Umständen fest, wie toll das ist. Achtung, Suchtfaktor!
Wenn es analog zum Schrittzähler einen Wortzähler gäbe, wäre mein Erfolgsbalken an solchen Ferientagen immer besonders niedrig und ultra rot. Wenig sprechen, nur dosiert und dies über mehrere Tage. Grande!
Wisst ihr wie sich das anfühlt? Das ist diese Art Einsamkeit, die beflügelt. Man kann das nicht beschreiben. Ich spreche dann in Gedanken, beobachte viel und nehme mit den Augen auf. Unglaublich, was man dann alles um sich rum entdeckt.
#4 Allein entscheiden, ohne Kompromisse
Ich glaube, dazu gibt es nicht viel zu sagen. Wie toll ist es, zu entscheiden, ohne auch nur den Mund aufmachen zu müssen. Eine Idee haben, abwägen, entscheiden. Traumhaft.
Diesen Punkt schätze ich immer dann am meisten, wenn ich mal zu zweit verreise und dann feststelle, dass es schon bei der kleinsten Auswahl zum Hin und Her kommen kann. Alles ok soweit. Nur ist es entspannend, wenn man eben mal keine Kompromisse eingehen muss. Das dazu.
#5 Schneller Menschen kennenlernen
Ich musste feststellen, dass es wesentlich leichter ist, Menschen kennenzulernen, wenn man allein ist, als zu zweit oder mit mehreren Personen.
Ob am Strand, im Hotel, im Restaurant oder auf Tour – irgendwie habe ich das Gefühl, dass Menschen mich viel einfacher ansprechen oder auf mich zukommen, wenn ich allein bin. Ob das nur aus Mitleid ist? Mmh, maybe.
Vielleicht liegt es daran, dass ich mich allein viel mehr auf meine Umwelt konzentriere, mich umschaue und wahrnehme.
Anscheinend wirke ich dann zugänglicher für das nette ältere Pärchen vom Nachbartisch, die junge Familie am Strand oder die beiden Freundinnen in der Hotel-Lobby.
#6 Mehr Zeit und Raum für sich haben
Niemals sonst habe ich so oft Zeit meine Recherchen und Notizen für meinen Blog oder meinen Job zu machen, wie in der Zeit, in der ich allein unterwegs bin.
Das nenne ich effizientes ‚Ordnen on the Go‘.
Ich schaue mir etliche Reportagen und Dokus an, lese haufenweise Berichte und das ein oder andere Buch. Einfach mal Brain-Feeding. Köstlich!
Genau das kann ich am besten, wenn ich allein bin. Ein wenig online-Shopping hier und da, ist auch noch drin. Dann warten zudem noch kleine lustige Pakete wenn ich wieder nach Hause komme.
#7 Raus aus der Komfortzone kommen
Dieser Vorteil ist wohl der Bereicherndste. Zumindest für mich.
Ich liebe es allein ins Kino zu gehen. Freunde sagen dann immer „Wie kannst du das nur, das könnte ich niemals.“ Wieso eigentlich nicht? Ist doch nur Dasitzen in einem dunklen Raum und nach vorn starren. Was will man da mit Begleitung, wenn man nicht grad ein 15-jähriger Teenager ist?
Aber es stimmt schon – da fängt es an. Kann man mit sich wirklich allein in einem Hotel sein, tagelang? Oder allein am Frühstücks-Buffet stehen, beim Dinner allein am Tisch sitzen oder einfach nur allein mehrere Tage am Strand liegen?
Ich kann von mir sagen – JA, man kann! Und wer das noch nie ausprobiert hat, einfach mal machen. Ran an den Speck! Sonst findet man es nie raus, ob das Verlassen dieser Komfortzone nicht doch ihren süssen Vorteil hat.
#8 Spontan sein für das Ungeplante
Schon oft, wenn ich allein gereist bin, bekam ich nach wenigen Tagen an einem Ort richtig Bock meinen Koffer zu schnappen und auf die nächste Insel, in das übernächste Land oder einfach woanders hin zu düsen.
Ohne Mitreisende und nur mit Handgepäck unterwegs ist das alles machbar. Einfacher als gedacht. So entdecke ich ungeplant und spontan unvorhergesehene Welten und Orte.
Diese Flexibilität zu haben und auszunutzen ist wahrhaft unbeschreiblich! Und unbeschreiblich bereichernd!
#9 360° Blick auskosten
Schon mal in ’ner Bahn oder ’nem Bus gesessen, wo man sich umschaut und alle starren auf ihr Handy? Auch die Leute die zusammen reisen! Gibt’s nicht mehr zu quatschen?
Oder im Restaurant – Menschen verabreden sich mit Freunden um dann pausenlos oder immer wieder auf ihr Handy zu glotzen, um darüber mit Leuten zu kommunizieren, die gar nicht da sind. Komisch.
Ich gestehe, ich gehöre auch zu dieser Generation, die mit den lustigen Buchstaben des End-Alphabets. Ist ja auch nicht so dramatisch. Welcome to Today!
Aber genau das ist so hervorragend, wenn man allein in die Ferien geht. Ich zum Beispiel mache dann wenig Fotos, meist nur von Objekten und weniger von mir. Ich bin grundsätzlich eher selten am Telefon.
Gut ok, das ein oder andere Selfie, Shoefie oder Foodfie schiesse ich auch ab und zu. Aber ich bin recht wenig mit dem Handy zu Gange. Wenn etwas vor meinen Augen passiert, dann beobachte ich.
Hinterher ärgere ich mich dann, dass ich es nicht fotografiert habe aber ich hab’s im Kopf und im Herzen. Dort ist es gespeichert, in meiner inneren Cloud.
Hinschauen anstatt ablichten, modifizieren und posten. Sich schweigend umschauen, anstatt den Tunnelblick auf sein Gegenüber zu haben. Beides toll aber auch mal wunderbar, wenn man ohne Ablenkung den 360° Blick geniessen kann.
Kürzlich bin ich nachts in Tulum in meinem Hotel angekommen. Von meinem Strandhaus aus, hörte ich von draussen, während des Auspackens, einige Leute erheitert miteinander sprechen. Als ich zum Strand kam, sah ich, worum es dabei ging.
Zu meinem Erstaunen gab es dort 2 dieser riesigen Landschildkröten, die gemächlich ihre Wanderung ins Meer vollendeten.
Unbeschreiblich, sowas Einmaliges mit eigenen Augen zu sehen und unnötig auch nur ans Handyholen zu denken.
#10 Unfrustriert und ausgeruht nach Hause kommen
Ich muss sagen, wenn ich von einer Reise allein wieder zurück komme, in mein ‚Home Sweet Home‘, bin ich wesentlich ausgeruhter, weniger gestresst, hänge keinen ärgerlichen Gedanken nach und weiss einfach, ich hab alles so gemacht, wie ich es wollte.
Gelobt sei das Alleinreisen!