Ich stolperte gewissermassen über diese Stadt am östlichen Mittelmeer – Tel Aviv. Und auf einmal war ich da, mitten im Sommer.
Ich kam ohne Erwartungen, nur mit einem Handgepäckkoffer und offenem Herzen, welches mir zweifellos gestohlen wurde.
Was für eine Wahnsinns-Stadt. Verlorene Zeit der Vergangenheit, in welcher ich nicht schon früher nach Tel Aviv gereist bin.

Meiner einzigen Sorge galt es, dass ich nach diesem Städtetrip wieder problemlos in arabische Länder einreisen konnte.
Das es schon lang keine Einreisestempel mehr in Israel gab, dessen versicherte ich mich vorab bei der israelischen Botschaft.
Und so sass ich im Flieger gen Israel, welcher mich in knapp vier Stunden von Zürich nach Tel Aviv bringen sollte.
Neue Bekanntschaft in Nahost
Kurz vor der windigen Landung, bei heulenden Turbinen, sah ich irgendwo im Landstrich ein paar Rauchschwaden am Himmel emporsteigen.
Was war denn da bloss los? Plötzlich hatte ich ein mulmiges Gefühl. Keine Ahnung, warum. Ich gab der medialen Propaganda die Schuld.

Ziemlich unbegründet, wie sich schnell herausstellen sollte. Tel Aviv verschluckte mich liebevoll und friedlich, von der ersten Sekunde an.
Diese Stadt gab mir das Gefühl, als würden wir uns schon ewig kennen.
Wie bei einer neuen Bekanntschaft, wo es sofort Klick macht.
Ankunft im Zwergenstaat in Nahost – umzingelt von Regionen, wo Religionen aufeinander prallen, wo Krieg und Gewalt an der Tagesordnung sind.

Ich blendete dies aus und lies mich fallen, um für ein paar Tage in diesem Jungbrunnen einer Stadt zu baden.
Tel Aviv: Alt & Neu
Tel Aviv, der ‚Frühlingsberg’ (steht für Jung & Alt), ist einer der sechs Bezirke im Staat Israel. Gegründet 1909, von 66 jüdischen Familien, in den Dünen nördlich von Jaffa, der orientalisch-arabisch geprägten Hafenstadt.
Ich dachte immer Tel Aviv sei altbacken, gemächlich und etwas runtergekommen.

Weit gefehlt, ich wurde eines besseren belehrt.
Tel Aviv ist kraftvoll, stolz und spürbar selbstbewusst – eben eine 110-jährige Metropole am Mittelmeer, welche sich betont lässig gibt.
Eine Stadt die sich anschickt, einen Bogen zwischen Tradition und Moderne zu schlagen.
Die grösste Stadt Israels, gilt als wirtschaftliche Taktgeberin des Staates, ist Heimat strenggläubiger Juden und wird offen als Schwulenzentrum des Nahen Ostens bezeichnet.

Tel Aviv ist die Stadt, vor der andere Leute wahrscheinlich warnen – Menschen, die vielleicht noch nie hier gewesen sind.
Ein Dej-A-viv
Es ist ein Ort der guten Zeit, der Zufriedenheit, ein Ort für junge und hedonistische Menschen mit einer spürbaren Lebenslust, die von einem Gefühl der Gefahr angetrieben wird.
Dies wurde mir bewusst, als irgendwo weit hinten am Himmel Raketen explodierten, als ich Funkenregen sah und Sekunden später Knallgeräusche daran erinnerten, wo ich mich eigentlich befand.
Im potentiellen Hexenkessel einer Atommacht, die mit einer geschmackvollen Süsse gekonnt jeden Reiseliebhaber verführt.

Entgegen allen Vorurteilen, hat diese Stadt etwas Magisches, etwas Anziehendes. Sie ist erfrischend lebendig, verblüffend herzlich und überaus einladend.
Man kommt hierher und fühlt sich sofort wohl. So, als sei man zuvor schon Mal hier gewesen – ein Dej-Aviv in einer Stadt, die sich kraftvoll und lebensfroh präsentiert.
Man gehört unweigerlich dazu, wenn sich der Tag mit Einheimischen, Expats und Touristen mischt.
Die Menschen grüssen, als wäre diese Stadt ein Dorf, in dem jeder jeden kennt. Schier unmöglich, hier nicht mit irgendjemandem ins Gespräch zu kommen.

Und nur keine Scheu, die Tel Avivianer (so nennen die sich wirklich!) sind unglaublich offen, auch wenn es um systemkritische, sowie politisch heikle Themen geht.
Sobald einem Shalom, Vay, Tudah – Hallo, Tschüss, Danke – leicht über die Lippen kommen, ist die Gesprächsverbindung hergestellt.
Luftig leicht und einfach.
Strandgeflüster
Ja natürlich ist der Strand in einer Stadt der ‚Place to be‘.
Aber so wie er in Tel Aviv to be ist, hatte ich selten erlebt. Gefühlt versammelt sich hier allabendlich die halbe Stadt. Dieses strändliche Stelldichein zu beobachten, ist überaus unterhaltsam.

Entlang der Strandpromenade, auf den insgesamt 14 Kilometern, voll mit verschiedenen Stränden (Hundestrand, Schwulenstrand, Familienstrand, religiöser Strand) wird gegrillt, gesurft, gelacht, geküsst.
Hunderte Menschen kommen hier zusammen, vor allem weil es wohl der schönste Ort in Tel Aviv ist.

Weiter vorn ist die See etwas ist rau. Wellen peitschen an die Brandung und die Gischt sorgt kurz für Frische im Gesicht, als ich eines Abends mit meinem Fahrrad hier entlang fahre.
Klänge des Muezzin aus der Ferne begleiten melodisch den Sonnenuntergang am Horizont und tauchen die Strandpromenade in eine gelblich-rote Tunke.

Auf einmal wird man von einer anschmiegsamen Wärme umarmt, die einen leicht melancholisch stimmt.
Mehr als nur Challah Brot & Matze
Viele biblische Speisen haben in Israel ihre Bedeutung bis heute behalten. Was die Kartoffel der Deutschen ist, ist für die Israelis das Brot.
Das runde Rosh-Ha-Shanah-Brot symbolisiert Glück, das Shabbat-Brot ist geflochten und die Grösse der Challah-Brote hängt vom jeweiligen Feiertag ab.
Wie herrlich traditionell.

Speisen in Tel Aviv sind unglaublich vielfältig und abwechslungsreich. Hier findet man alle Köstlichkeiten des Orients und ich fühlte mich wie ein ‚Gefillte Fisch‘ im Wasser.
Die israelische Küche verzaubert mit Hummus, Salaten, gegrilltem Gemüse, Oliven und Kebab. Mein neu entdeckter Favorit: Ofenblumenkohl mit Hummus-Yoghurt!

Am Essen kommt man in Tel Aviv also nicht vorbei. Schon gar nicht, wenn man durch die verschiedenen Viertel der Stadt pilgert.
An reichlich bestückten Marktständen preisen Händler lokale Olivenöle und Käse mit handschriftlich angeschriebenen Etiketten, bieten Wassermelonen so gross wie Felsbrocken oder faustgrosse Knoblauchknollen an.

Rote Früchte häufen sich neben dicken, grünen und aromatischen Kräutersträussen und die Süsse von Basilikum und Erdbeeren wird von scharfem Fisch und kupferfarbenem Fleisch übertüncht.
Ein Gaumenschmaus für alle Sinne.
Angesagte Ecken
Einfach mal ein Fahrrad schnappen und durch die hinreissendsten Viertel von Tel Aviv cruisen, um so den bunten Mix an stilistischem Charme der Stadt zu erkunden.
Neve Tzedek:
Im Künstlerviertel der Stadt sieht man überall winzige Läden und Galerien, die die Gassen zieren.

Ein Trendviertel, wo sich exklusive Designerläden, vegane Eisdielen und hippe Kaffees aneinanderreihen, wo sich die Youngsters treffen und nach einer langen Partynacht ihren Detox-Smoothie schlürfen.
Jaffa:
Der älteste Teil von Tel Aviv. Tagsüber ist ausser einem Flohmarkt nicht viel los. Sobald die Sonne untergegangen ist, findet hier allerdings das pure Leben statt. Es werden Tische, Stühle, DJ Pulte und Verkaufsbuden in die Strassen gestellt.

Tausende Lichterketten verwandeln diese wunderschöne Altstadt in ein idyllisches Ambiente.
Tel Aviv handmade und romantisch.
Florentin:
Das aufstrebende Stadtviertel mit Hipster Atmosphäre ist verziert mit unzähligen, qualitativ hochwertigen Graffitis. Street art par excellence!
Wie ich fand, eines der coolsten Gegenden in Tel Aviv, nahe der American-German Colony, wo sich mein Hotel befand.

In unkonventionellen Cafés und gemütlichen Bars wippt man zu Livemusik, knabbert an Börek und Falafel, während einem die Düfte der Gewürzhändler um die Ecke in die Nase steigen.
Oft wird dieser Stadtteil mit dem New Yorker Soho verglichen. Zu Recht, wie ich fand!
Teures Pflaster mit Flair
Tel Aviv – trotzig freizügig, im Gegensatz zu seinen strengen Nachbarländern – ist eine durch und durch moderne Stadt.
Geprägt von schönen Hotels, grünen Boulevards, einer klassischen Bauhaus-Architektur und dem aufregenden Nachtleben, präsentiert sich diese Stadt als eine Oase der europäischen Kultur.
Und damit ist sie nicht gerade günstig. Besonders für Einheimische sind die Lebenskosten mit denen von Manhattan vergleichbar.

Wenn man den etwas anspruchsvolleren Lifestyle für seine Reise gewählt hat, kommt man schon mal in Schnappatmung, sobald die Rechnung serviert wird.
Der teure Schekel, ein kleiner Schlingel, für den es in ausgewählten Lokalen ein Glas Wein für 14€ oder einen Snack im Strassencafé für nicht weniger als 20€ gibt.
Nicht umsonst ist diese Stadt auf Platz 10 der teuersten Städte der Welt notiert, nach Zürich, Genf und Singapur.

Aber wen kümmern schon Zahlen auf einem Kassenzettel, wenn man vom anziehenden Flair dieser pulsierenden Küstenstadt unentwegt betäubt ist.
Tel Aviv, oh Tel Aviv!
Würde man einen Teig aus Barcelona und Istanbul verkneten, würde daraus in Windeseile ein Kuchen wie Tel Aviv gebacken.
Der quirlige Charme meiner 2 Lieblingsstädte Europas vereint am nahöstlichen Mittelmeer – garniert von Regionen wie dem Westjordanland, dem Gazastreifen und Homs.

Israel, das Zentrum dreier Weltreligionen und ihrer heiligen Stätten.
Einem Land, in dem Palästinenser und Israelis seit 60 Jahren unversöhnlich auf ihr „Recht“ beharren, ist damit Ausgangspunkt und Zentrum des Nahostkonflikts, von dem man in Tel Aviv kaum etwas mitbekommt.
Hier erlebt man das moderne Israel und sieht kaum einen wesentlichen Unterschied zu westlichen Metropolen.

Ein wenig spürt man in Tel Aviv das orientalische Flair, riecht fremde Düfte und sieht morgenländisch anmutende Szenen.
Tel Aviv, erfrischend lebendig, mit etwas europäischem Lebensstil, versprüht eine Art Sehnsucht, wenn man durch die pulsierenden Gassen schlendert und mitten drin ist, im Leben dieser faszinierenden Stadt.
Shalömchen,
Anna