In diesem Jahr werden wohl ziemlich viele Leute den Weltrekord im „Zu-Hause-Rumsitzen“ brechen. Die 2020 Bewährungsprobe für alle Reisejunkies unter uns. Nichts geht über mein geliebtes Zürich aber ab und an muss ich einfach mal raus (#SolangeEsNochOhneSchimpfeMöglichIst). Wie wäre es mit Gstaad? Absolut jungfräulich auf meiner Liste.
Nun, in diesen wunderschönen Herbsttagen gehen Schweizer üblicherweise wandern. Bei dem Wort wandern allein schlaf ich schon ein, deshalb ist wandern per se nix für mich. Also gehe ich nicht wandern, ich gehe wohin.
Nach einem unglaublich schönen Sommer, in dem ich 4 Monate durch die europäische Weltgeschichte reiste, muss ich nun umdenken oder lokaler denken und mir neue Schweizer Highlights zusammenreisen.
So verschlägt es mich also ins angesagte Gstaad – wohlgemerkt zu einem Kunstausflug, nicht zum Wandern.
Panoramaweg Swiss Style
Ich muss raus aus Sperrstunde, Home-Office und einem einmaskierten Züri, muss mal wieder atmen und wenigstens ein Mini-Gefühl von Reisen und weg Sein bekommen.
Ich schmeisse meine Lounge Wear in die Ecke (neues 2020er Wort für Schlabberklamotten), schlüpfe in eine meiner absolut coolste Lieblingsjeans, zu denen jetzt z.B. auch diese Jeans von Dsquared gehören, welche mich sonst nur auf Städte-Trips begleiten, und auf geht’s Richtung Bahnhof.
In einer dreistündigen Zugfahrt schwebe ich sprichwörtlich durch die traumhafte Natur und Berglandschaft, die mein Schweizer zu Hause so einzigartig macht. In Gstaad angekommen folge ich den Wegweisern nach Schönried, ein kleines Dorf, in dem sich Hase und Igel ‚Gute Nacht‘ sagen.
Da bin ich nun also, mitten im Herzen des Saanenlandes, mit einer spektakulären Aussicht auf umliegende Bauernhöfe und weite Felder.
Für den einen ist es Poesie der Natur, für den anderen der klassische ‚Idylle Overkill’ (ich bin der andere): Grüne Wiesen mit flatternden Schmetterlingen, prächtig blühenden Blumen, weidenden Kühen und plätschernden Bächen.
Wenn man sogar etwas Glück hat, fährt noch ein GoldenPass Panorama-Zug Richtung Montreux durch die Landschaft. Herzergreifender und klischeehafter geht es kaum. Eben, Idylle pur.
Spieglein, Spieglein auf dem Land
Das Spiegelchalet Mirage Gstaad ist Teil der regionalen Kunstausstellung „Elevation 1049“ und ist seit Anfang 2019 in der Destination Gstaad im Berner Oberland beheimatet.
Das Kunstwerk ist ausschliesslich zu Fuss erreichbar. Ein Spaziergang der sich lohnt, vor allem für Naturfreunde, die für einen Moment einer scheinbar realitätsfern gewordenen Welt zu entfliehen versuchen, um was einzigartig Bizarres zu entdecken.
Und dann, inmitten der beeindruckenden Bergwelt, steht es plötzlich da. Ein glitzerndes Haus, so geschmeidig wie Wasser, das sich mit der umliegenden Landschaft vollständig synchronisiert – so eins mit der Natur, so unpassend faszinierend.
Die Konstruktion ist eine Aussenskulptur des in Los Angeles lebenden Künstlers Doug Aitken, die zwei Jahre lang die Gebirgslandschaft um Gstaad und die wechselnden Jahreszeiten reflektieren und mit ihnen interagieren soll.
Dieses Swiss Chalet verschmilzt mit der Landschaft und wirkt, vor allem von weitem, wie eine Fata Morgana. Eine spiegelnde, fast unwirkliche Gebäudeskulptur inmitten von saftigem Grün und unendlicher Weite.
Jede Regung der Natur, der Sonnenuntergang, die Wolken, die Wiesen – alles spiegelt sich in den Glaswänden und verleiht dem temporären Kunstwerk eine märchenhafte Aura, umrandet von kantigen Bergspitzen.
Kaleidoskop der Natur
Die Location ist ideal auf einer Anhöhe gelegen. So kann sich das Haus von allen Seiten in der Bergwelt spiegeln, mit bester Aussicht auf das Rüeblihorn.
Der Besuch ist gratis und das Gelände zu jeder Zeit frei zugänglich.
Hinter der Spiegelfassade verbirgt sich eine Holzkonstruktion, die den Witterungsbedingungen auf über 1000 Meter über Meer standhalten muss.
Auch das Innere des Chalets besteht aus Spiegelglas. Der Künstler lässt so die Grenze zwischen Innen und Aussen, Subjekt und Objekt verschwimmen.
Dank dieser Spiegelverkleidung absorbiert, reflektiert und kontrastiert die Ranch-ähnliche Skulptur Licht und Natur. Als verschwände ihr Äußeres und so als zöge der Innenraum die Betrachtenden in ein nicht enden wollendes Kaleidoskop aus Farben und Reflexionen.
Das kontroverse Kunstwerk ist in der Tat eine wahre Sehenswürdigkeit, in dem der Besucher selbst eine wichtige Komponente dieser wird.
Mirage Gstaad – Home made, Swiss made
Vielleicht im Ausland kreiert, jedoch zweifelsohne Made in Switzerland. Es ist nicht das Haus, das Kunstwerk, die Bauweise an sich, welche dieses Konstrukt so einzigartig machen. Es ist die Schweizer Landschaft, seine einzigartige Flora und Fauna, die in diesem Blockbuster die Hauptrolle spielt.
Mirage Gstaad zieht sozusagen die Landschaft in sich hinein und spiegelt sie wieder in die Welt hinaus. Das Gebäude selbst fungiert letztlich als visuell beeindruckende Echokammer.
Fast surreal.
Noch bleibt genügend Zeit das Chalet im Herbst und im Winter zu erleben. Was für ein Schauspiel muss das Haus wohl bieten, wenn es bald mit Schnee und Sonne um die Schönheit der Landschaft wetteifert.
Ich warte auf das erste Weiss des Jahres.
Anna
2 KOMMENTARE
Ich glaube ich werde nie in die Berge reisen um dieses Kunstobjekt zu sehen , aber schön das du mich an diese Orte bringst und so beschreibst als wäre ich da , danke . Du gibst diesen Ort das besondere .
…genau das war mein Ziel. Freut mich, dass es funktioniert hat. Liebste Grüsse. Anna