Fernweh beschreibt die Sehnsucht nach Orten, die man gar nicht kennt, die Sehnsucht, eine vertraute Umgebung zu verlassen und sich der weiten Welt anzuschliessen. Gar nicht so einfach! Denn, wir schreiben April 2020, ein Augenblick, in dem sich die Welt in Quarantäne befindet und all die bevorstehenden Reisepläne auf Standby sind.
Wie lange ich mein Fernweh und Reisefieber noch ertragen muss, wer weiss das schon.
All meine Flüge sind erst einmal umgebucht und sämtliche Hotelbuchungen storniert – und davon gab es reichlich. Eine unfreiwillige Pause, die ich wohl hinnehmen muss.
Eines Tages jedoch, werde ich meinen angestaubten Koffer wieder hervorholen, meine Lieblingsoutfits zusammenfalten und in einen Flieger Richtung Sonne steigen. Ich zähle die Minuten bis zur Reisestunde Null.
Solang meine einzig möglichen Destinationen das Wohnzim-Meer, Schlafzim-Meer oder Badezim-Meer sind, muss ich mich irgendwie anderweitig beschäftigen, um meinen Reisehunger zu füttern und das Fernweh zu stillen.
Aus der Not heraus unterhalte ich mich mit ein paar Dingen, die mich davon abhalten, bockig wie ein Teenager der ausziehen will, meinen Koffer zu packen und einfach mal Richtung Flughafen zu trotten.
Hier also meine aktuelle Fernweh-Beschäftigungstherapie (aka „Fang-bloss-nicht-an-zu-puzzeln“) in 5 Versuchen:
1. Reiseplanung 2.0
Wohl das beste Elixir gegen Fernweh: Eine Reise planen. Das erscheint mir unter aktuellen Bedingungen wohl die zuverlässigste Methode zu sein, die Tristesse im trüben, einsamen Alltag irgendwie zu überstehen.
Ganz unromantisch forste ich mich durch die unendlichen Weiten von Magazinen, auf der Suche nach neuen Hotels, Geheimtipps und Hotspots, die hoffentlich morgen auch noch geöffnet sein werden.
Meine Bucket-List für 2020 kann ich wohl, bei den aktuellen Entwicklungen der Reisebranche, über den Haufen werfen. Ich muss umplanen und denke dabei sogar durchaus lokal. Seit 12 Jahren lebe ich in der Schweiz, aber habe ich schon sämtliche Schönheiten dieses wunderbaren Landes erkundet? Mit Sicherheit nicht!
Und da die Bewegungsfreiheit im Bergenland nicht so weit eingeschränkt ist wie andernorts, überlege ich mir, erst Mal durchs Landesinnere zu streifen, um mich mit meiner Wahlheimat etwas näher anzufreunden.
‚Hauptsache weg’ ist mein Motto – egal wann. Und sei es nur mit dem Finger auf der Landkarte.
So schöpfe ich etwas Hoffnung, bald wieder on tour zu sein, während ich neue Abenteuer in der Ferne plane.
2. Prä-Reise-Shopping
Mir geht es da ähnlich, wie den meisten da draussen – mein zu Hause ist die neue In-Location – 24 Stunden, 7 Tage die Woche. Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so viel Zeit am Stück in meiner Wohnung verbracht habe. Hängt da oben ein Spinnweben?
Und der Zwangsstubenarrest macht erfinderisch. In den sozialen Medien kann man verfolgen, wie die Leute das Kochen für sich entdeckt haben, non-stop work-outen oder Home-officen. Und der Rest backt Bananenbrot (#thanksbutnothanks).
Ich für meinen Teil, widme mich meinem Kleiderschrank und miste alles aus, was mich schon ewig nervt, verfrachte die Winterklamotten in den Keller und entdecke lang vergessene Teile wieder neu. Marie Kondo wäre so stolz auf mich.
Und jede Frau kennt das: Wenn was aus dem Schrank rausfliegt, muss auch wieder etwas Neues rein. Also gönne ich mir eine kleine Prä-Reise-Shopping Tour (natürlich Online und mit genügend Abstand) und hübsche meine Travel-Outfits mit neuen Teilen auf, zB. mit sommerlichen Stücken im Gucci Sale, mit denen ich mich bereits in den nächsten Urlaub träumen kann.
Auch wenn es mit der Post dieser Tage etwas länger dauert, kann ich es kaum erwarten, bis ich meine neuen Beach-Kleider und Tanktops anprobiere, während ich mir vorstelle, ich sässe auf Bali am Strand und nippe an meinem Freedom-Cocktail.
3. Virtual Tours – zu Hause unterwegs
Manch einer lässt gern mal ein Video mit Kaminfeuer nebenbei laufen, um Harmonie und Wärme in die Bude zu zaubern. Ja, das kann auch eine schöne Ablenkung im auferlegten Gefängnis daheim sein.
Ich halte es da lieber mit einer Virtual Tour um die Welt. Während Youtube mich mit den atemberaubend schönsten Videos ein Mal um den ganzen Globus beamt, gehe ich mit Travel & Leisure (meiner absoluten Reise-Bibel) auf Sight-Seeing Tour per kurzweiligen Video Sequenzen durch angesagte Städte. Museumstouren inklusive!
Günstiger kann man die Welt nicht entdecken und mein Fernweh ist für einen kurzen Augenblick wie verflogen.
4. Reiseblog Diving
Tatsächlich habe ich unendlich viele Reiseberichte in der Pipeline. Aber wie um alles in der Welt soll ich über ein neu entdecktes Hotel, einen faszinierenden Ort oder die besten Tipps gegen Flugangst schreiben, wenn traurigerweise gerade nichts davon stattfindet und die Reisebranche aktuell gar ums Überleben kämpft?
Das wäre wie einem Diabetiker einen Gutschein für `nen Süsswarenladen zu schenken. Blöde Idee!
Also beschäftige ich mich damit, andere Reiseberichte zu lesen und Suche nach Parallelen zu meinen Erfahrungen unterwegs. Ich bin teilweise wirklich entzückt, wie köstlich emotional so manche Leute schreiben. Daumen hoch für meine tippenden Reisekollegen da draussen.
Und zack, gleich ein paar Minuten weniger an meinen Reise-Heisshunger gedacht.
5. Fernweh De-Tox
Bereits 4 Wochen am Stück, dass ich nicht ein einziges Mal einen Flughafen von innen gesehen habe…und ich lebe noch! Irgendwie, eben.
Hätte mir das jemand vor ein paar Monaten erzählt, hätte ich dies wohl für ein unvorstellbares Szenario gehalten.
Ich bin jedenfalls noch nicht (ganz) am Durchdrehen. Ja, ich geniesse sogar die Ruhe, die kurze Atempause von der Ferne. Diese Gelassenheit, nicht ständig unterwegs zu sein, pausenlos den Koffer ein- und auszupacken, Zimmer zu wechseln oder die nervigen Sitznachbarn im Flugzeug zu ertragen.
Schon vollkommen benebelt von so viel Freizeit in den 4 Wänden, finde ich sogar langsam Gefallen an diesem Stillstand. Insgeheim freue ich mich aber auf meine Travel Re-Tox-Phase. Dann geht’s aber los.
Und ganz abgesehen davon, bin ich positiv überrascht, wieviel Geld auf dem Konto plötzlich Staub ansetzt, wenn man nicht ständig unterwegs ist. Wahnsinn! Reisen geht tatsächlich ins Geld und nicht Reisen scheinbar auf’s Konto.
Wenn sich die Welt wieder auf Vollstrom dreht und sich langsam erneut Flieger am Himmel tummeln, mache ich höchstwahrscheinlich eine Rückwärts-Quarantäne: Ich bleibe einfach für 1.5 Monate weg, ohne nach Hause zu kommen. So!
Irgendwann, genervt vom ewig Gleichen daheim und mit genug Taler in der Tasche, werd ich mich dann erst Mal mit `ner gehörigen Portion Welt vollstopfen.
Reisejunkie braucht Stoff
Uns Fernsüchtigen plagt ein unstillbarer Durst nach der Ferne, nach dem Unbekannten da draussen. Wenn wir reisen, erweitern wir unser Spektrum an Erfahrungen, es bereichert und nährt uns.
Wer einmal mit Fernweh infiziert ist, wird nicht mehr gesund. Und letztlich gibt’s nur ein einziges probates Mittel dagegen – es ist das Reisen selbst. Der Junkie braucht eben seinen Stoff – forever.
Das Reisen ist es, was mich von einem konventionellen Leben, so wie ich es interpretiere, abhält. Es ist das Beste, was mir je passieren konnte und noch passieren wird und es hindert mich daran ein 08/15 Dasein zu führen.
Fernweh ist wie eine leidenschaftliche Sehnsucht nach dem Woanders, wie eine Droge, die sich zu einem unstillbaren Verlangen manifestiert. Für jemanden der Fernweh nicht kennt, hört sich das wohl sehr kitschig an. Aber derjenige, der diese Sehnsucht in sich trägt, weiss ganz genau wovon ich rede.
Welt, warte noch kurz auf mich.
4 KOMMENTARE
7:40 und schon schmunzele ich und gehe beschwingt in den Tag , danke
19:58 und ich freue mich über diesen Kommentar.
Fernweh… ich bin ganz bei dir ANNA. Danke für deine inspirierenden Texte.
Danke du Liebe, das freut mich sehr. Herzli