Sag mal, wie kommen eigentlich die Perlen in den Champagner und warum darf sich nur dieser bestimmte Blubber-Wein aus der gleichnamigen Region Champagner nennen?
Zu letzterem zuerst: Champagner ist nicht nur der Name dieses besonderen Getränks und dem Anbaugebiet Champagne-Ardennes, sondern auch ein geschützter Markenname, ein eingetragener Brand, ein Marketing-Clou, der den Weinbauern im Gebiet eine goldene Nase beschert.
Ich kenne einige Leute, die ein Stück Weinland besitzen und nie arbeiten mussten. Bis heute nicht. Ich will auch Champagner-Grundbesitzer sein! Manno!
150 Kilometer von Paris entfernt, im Herzen der Champagne, geht es eher ländlich beschaulich zu.
Weinberge überziehen die sanften Hügel dieser spektakulären Region.
Nur Früchte, die hier wachsen, werden einmal als Champagner zu besonderen Anlässen die Kehlen all derer herunterperlen, die etwas zu feiern haben und es sich leisten wollen.
Ich habe einmal jemanden gefragt, ob, wenn ich eine Weinrebe der Region Champagne rausreisse und in der Bourgogne einpflanze, aus den gewonnenen Trauben einen Schaumwein herstelle, dieser sich dann auch, gemäss seinen Wurzeln, Champagner nennen darf.
Die Antwort war ‚Nein‘!
Auf den Spuren der Vergangenheit
Zurück in meiner alten Heimat Reims, wo ich wundervolle 6 Jahre verbrachte, begab ich mich auf die Spuren der Champagner-Trauben im Schloss Pommery.
Tausend mal besucht und immer noch nicht genug davon.
Reims, im Norden Frankreichs, ist das Mekka der Champagner Kellereien, die für jeden Champagne-Ardennes Besucher einen Ausflug wert sein sollten.
Schon damals hatte ich so gut wie allen Champagner Häusern in der Gegend einen Besuch abgestattet.
Ob das Haus Ruinart, Lansons, Moet Chandon oder Perrier-Jouet – alle haben sie ihre einzigartige Geschichte, die verzaubert.
Die Hochpreisigsten der Champagner Clique, wie Krug oder Dom Perignon (Haus Moet Chandon), bieten keine Führungen an. Haben’s wahrscheinlich nicht nötig, uns über deren Glasrand schauen zu lassen.
Der Champagner ist ein Schaumwein (darf man den eigentlich so degradieren?), der aus Trauben hergestellt wird, die nach streng festgelegten Regeln in dem Weinbaugebiet Champagne gelesen und verarbeitet werden.
Er gilt in vielen Teilen der Welt als das festlichste aller Getränke.
Madame Pommery – die Anna Wintour von damals
Monsieur Pommery hatte ein Vermögen im Handel mit Wolle verdient.
Der Sohn, Louis, war fast erwachsen. Das Paar hatte keine besonderen Zukunftspläne als Madame Pommery, damals 38 Jahre alt, ein Kind erwartete – die Tochter Louise.
Der Wunsch, die Zukunft seiner Tochter zu sichern, weckte in Monsieur Pommery den Traum, wieder aktiv zu werden – der Champagnerhandel begann gerade erst seinen Aufschwung.
Im Warenbestand von Pommery befanden sich 1856 bereits ausschliesslich Grands Crus.
Als Monsieur Pommery 1858 verstarb, nahm Madame Pommery all ihre Kraft zusammen, um eine der schönsten Erfolgsgeschichten zu beginnen.
Madame Pommery übernahm die Leitung des Champagnerhauses und führte es zu Ruhm und Erfolg.
Im Jahr 1858 machte sich die junge Witwe auf, die nationalen und internationalen Märkte zu erobern.
Sie erfand das Markenimage Pommery. Sie nutzte ihr Vermögen „auf noble Art“.
Als Geschäftsfrau, aber auch als Frau mit Herz, rief sie die erste „Rentenkasse“ und eine „Sozialversicherung“ für ihr Personal ins Leben.
Persönliches Engagement, das ein gewisses Risiko in Kauf nimmt – das war zu jener Zeit ungewöhnlich.
Diese mutige Geschäftsvision stützte sich auf eine kompromisslose Ethik, der das Unternehmen bis heute folgt.
Die schöne, zierliche und feinsinnige Louise Pommery übernahm, nach dem Tod ihrer Mutter, zusammen mit ihrem Bruder Louis, 1890 die Leitung des Hauses.
Besichtigung der Domaine Pommery
Es empfiehlt sich Besucher-Tickets im voraus online zu kaufen. Für knapp 20€ kann man für ca. 1h Teil der Geschichte von Pommery werden, 1 Glas Champagner am Ende der Führung inklusive.
Nachdem man von seinem Guide in Empfang genommen wurde, steigt man erst Mal 161 Stufen in den Keller hinunter.
Sofort spürt man die klamme Kühle, die einen da unten erwartet.
Ein etwas modriger Geruch gibt Hinweis darauf, dass man nun eine andere Welt, eine andere Ära betritt, deren Teil man für einen kurzen Moment sein darf.
Unten angelangt, beginnt die Reise in die Zeit der Familie Pommery und dem gleichnamigen Produkt, dass bis heute seinem Weltruhm sicher ist.
Wer etwas französisch versteht, sollte die Führung in dieser Sprache machen. Die vorgetragene Geschichte wirkt meines Erachtens so gleich viel blumiger und emotionaler.
Tief unten im Champagner-Keller
Knapp 70 Meter unter der Erde eröffnet sich eine Welt voller dunkler Gänge und unzählbar vielen gelagerten Champagner Flaschen in allen erdenklichen Grössen.
Verknüpft ergeben die einzelnen Tentakel der Gänge sage und schreibe 18km Länge. Unglaublich!
Madame Pommery gab jeder unterirdischen Gasse der Domaine Pommery Namen der Städte, mit denen sie geschäftlich zu tun hatte, um ihren Kunden auf der ganzen Welt Tribut zu zollen.
In den Kellern von Pommery lagern heute nicht weniger als 25 Millionen (!!) Flaschen, darunter die ältesten Jahrgänge von Domaine Pommery.
Diese werden sorgfältig im Weinkeller aufbewahrt, da es sich um äusserst seltene Jahrgänge handelt, die heute wahrscheinlich völlig ungeniessbar sind.
Erstaunlich auch, dass Jahrgänge zwischen 1934 und 1945 unter den ganzen eingestaubten Flaschen fehlen.
Da hatten sich damals wohl böse Menschen dieses geniessbare flüssige Gold einfach mal so einverleibt…
Die Galerien sind schlecht beleuchtet und es ist schon etwas unheimlich da unten.
Spontan meldet sich mein innerer Sherlock Holmes und ich frage mich ‚ob hier drin wohl schon mal jemand ermordet, verscharrt oder zu Most verarbeitet wurde?‘.
Da dieses kohlensäurehaltige Getränk natürlich unter Druck steht, passiert es schon mal, dass die ein oder andere Flasche explodiert. Durchschnittlich explodiert am Tag angeblich 1 Flasche.
Na super. Wurde das Tagessoll heute bereits erfüllt oder muss ich mich ducken?
Die Temperatur in den Kellern ist mit 10-12°C das ganze Jahr über beständig, so dass der Champagner gemütlich reifen kann.
Jacke mitbringen, nicht vergessen! Auch wenn es draussen über 30°C hat.
Von der Traube bis zur Flasche
Zu Beginn müssen die Trauben erst einmal gepflückt werden. Behutsam per Hand, um sie nicht zu beschädigen. Erntezeit ist immer Ende des Sommers, Anfang September.
Anschliessend werden sie in technischen Anlagen gepresst und gelagert. Hier findet auch der erste Fermentierungsprozess statt.
Die darauf folgende Assemblage erfordert insbesondere die Expertise des Chef de Cuvée. Dafür verwendet er die Weine aus der jeweils aktuellen Ernte und die älterer Jahrgänge, die sogenannten Reserveweine.
Traditionell besteht eine Champagner-Mischung aber nur aus insgesamt drei Rebsorten: Pinot Noir (rot), Pinot Meunier (rot) und Chardonnay (weiss).
Seine berühmten Perlen entwickelt der Champagner in den dunklen und feuchten Tiefen der Kellergewölbe aus dem 18. Jahrhundert.
Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Geduldig stapeln sich die versiegelten, teilweise verstaubten Flaschen und warten auf ihre zweite Gärung und das Ende ihrer Reifezeit.
Geduldig sein muss man, wenn es darum geht, die Jahrgangs-Champagner zu produzieren, die nur zustande kommen, wenn die Trauben eines Jahrgangs eine ganz besondere Qualität aufweisen. 2009 war so ein Jahr. Auf einen besonders kalten Frühling folgte ein sehr heisser Sommer.
Wie kommen denn nun die Perlen ins Glas?
Die klassische Flaschengärung wurde in der Champagne erfunden und wird daher auch als «Méthode champenoise» bezeichnet.
Dieses Verfahren ist nicht nur in der Champagne selbst, sondern heute auch für die Produktion vieler anderer hochwertiger Schaumweine zum Standard geworden.
Die Bezeichnung Champagnermethode ist allerdings geschützt und nur dem Original aus Frankreich vorbehalten.
Alle anderen Wein-Herkünfte als die Champagne müssen mit anderen Begriffen auskommen.
Und so funktioniert es: Die Originalflasche wird mit dem Grundwein befüllt, dazu kommt in der Regel Hefe und, je nach Rezeptur und Stil, eine kleine Menge Zucker, damit es zu einer Gärung in der Flasche kommen kann.
Die Flasche wird mit einem Kronenkork verschlossen und reift nun liegend, während der Zucker in Alkohol und Kohlensäure verwandelt wird.
Ist die gewünschte Reifezeit – von neun Monaten bis hin zu vielen Jahren – erreicht, werden die Flaschen fast waagrecht in ein Rüttelpult gesteckt.
In Folge des täglichen Rüttelns (frz. Remuage) an der Flasche und deren stetiges steiler Stellen sinkt das gesamte Depot aus abgestorbener Hefe langsam in den Flaschenhals.
Nach Abschluss des Rüttelprozesses wird der Flaschenhals samt Kronenkork und Depot in eine Kältesole oder in Stickstoff getaucht und eingefroren.
Nun erfolgt das Enthefen, auf Französisch «dégorger» genannt.
Der Kork wird entfernt, und der Innendruck schiesst den tiefgefrorenen Hefepfropfen aus der Flasche.
Fast gleichzeitig wird die Flasche mittels Gegendruck wieder vollgefüllt, meist mit etwas Likör und Zucker.
Verschlossen wird mit einem Naturkork, der zusätzlich durch einen Drahtkorb (frz. Agraffe) gesichert wird.
Champagner is now born, baby!
Handarbeit Champenoise
Dazumal mussten all diese Prozesse von Hand erledigt werden. Trauben- und Flaschenkörbe wurde auf kleinen Wagen durch die Kilometer-langen Gänge befördert.
Auch heute werden viele Schritte noch sorgfältig von Menschenhand erledigt.
Jedoch haben mittlerweile viele Maschinen die Hand des Menschen ersetzt, welche bis zu 46.000 Flaschen an einem Tag drehen kann!
Der Kellermeister schmeckt alle geheimen Rezepturen eines Jahrgangs noch selbst ab. Nur er kennt das vollständige Rezept der Champagner Kreation.
Mag man den Erzählungen glauben, liegen die Rezepte jedes einzelnen Jahrgangs fest verschlossen in einem geheimen Safe der Familie Pommery.
Für die PR des Hauses auf jeden Fall eine gute Story.
Champagner in Facts & Figures
Das erste grobe Datum für gefertigten Champagner geht bis ins Jahr 1670 zurück. Und natürlich, die Römer waren’s.
Weltweit werden heute ca. 95% der Champagnerflaschen in Brut verkauft – mal auf das Etikett achten, beim nächsten Candlelight Dinner.
Jährlich werden um die 330 Mio Flaschen Champagner verkauft und damit ein Umsatz von 4 Mrd. Euro erwirtschaftet. Fast 60% aller Champagner-Flaschen werden in Frankreich verzehrt.
Der kürzeste Reifeprozess eines Champagners dauert ca. 15 Monate. Bis ein Brut reif ist, dauert es 4 bis 5 Jahre, und 5 bis 10 Jahre für einen Jahrgangs-Champagner!
Die Cuvée Louise Pommery dauert 6 bis 8 Jahre in der Reifung.
Zu Zeiten von Snapchat, Overnight-Express und schnell Vergänglichem, fast unvorstellbar lang.
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Auch wenn man hier und da ein Foto auf meinem Instagram-Account mit Weinglas sieht, bin ich kein grosser Alkohol Liebhaber.
Und zum Erstaunen Vieler, mag ich vor allem Champagner eher weniger. Es scheint, als bekomme mir der Schwefel Gehalt in diesem Getränk nicht sonderlich.
Mein Tipp: auch wenn die Franzosen die Nase rümpfen und fast entsetzt sind darüber, Eiswürfel in Champagner machen ihn bekömmlicher. Tatsächlich!
Dazu muss man seine Coupe (ein Champagner Glas) nur in einem Weissweinglas bestellen, dann fällt es in der Gruppe auch nicht allzu sehr auf.
Also, dann mal Prost oder wie man in Frankreich sagt: ‚Santé‘!
Anna