Es gab wohl tatsächlich mal eine Zeit, in der man sich extra fürs Fliegen aufgebrezelt und chic gemacht hat. Vor knapp 100 Jahren, als die kommerzielle Luftfahrt Wind unter den Flügeln bekam, war diese Art zu Reisen exklusiv und hatte noch Stil. Piloten wurden verehrt und Stewardessen beneidet.
Nur die wohlhabende Haute Volée der Gesellschaft konnte sich ein Flugticket leisten. Dementsprechend wurde unter den Fluggästen auch wert auf ein exquisites Styling an Bord gelegt. Sehen und gesehen werden – die Schickeria unter sich.
6.000 Mark kostete in den 50er Jahren ein Transatlantikflug, mehr als dazumal ein Auto. Flugreisen waren tatsächlich nur ein Privileg der Reichen. Selbst ein Flug nach Mallorca war für die meisten schier unbezahlbar. Und heute regt man sich über Mehrkosten fürs Gepäck oder das Extra-Sandwich auf.
Fliegen war also etwas Besonderes und man hatte grossen Respekt davor. Man wurde beneidet, konnte man sich eines der begehrten Tickets leisten. Dies, lang lang bevor der Massentourismus, Schälchen-Essen und Riesenjets am Himmel Einzug hielten.
Das Flugpersonal – stilvoll gestern wie heute
Der Zauber der zivilen Luftfahrt von damals scheint heute irgendwie gänzlich vorbei zu sein. Und dieser Zauber bestand vielleicht nicht zuletzt aus stilvoll uniformierten Flugbegleiterinnen, die mit synchroner Grazie einstudierte Handbewegungen ausführten. Oder eine Art Luftballett und gekonnte Pirouetten darboten, voller Anmutung und dem gewissen glamourös-zugeknöpften Sexappeal.
Die goldenen Jahre des fliegenden Personals waren die 60er, als Stewardessen noch nicht als Abfertigungsmaschinen der ‚Massenware‘ Tourist, sondern als Gesicht und Aushängeschild der Fluggesellschaft verstanden wurden.
Damals mussten Stewardessen hübsch, schlank und jung sein – und irgendwie verfügbar wirken. Sie wurden angehimmelt wie Supermodels und sahen nicht selten auch so aus.
Ihre Uniformen mit hohen Säumen, extravaganten Hüten und gewagten Farben waren Marketinginstrumente, um Kunden anzuziehen. Schnell erkannten berühmte Modehäuser, wie beispielsweise Balmain, deren Damenkollektion man hier findet, den Mittelgang in einem Flugzeug als Laufsteg für sich zu nutzen.
Pierre Balmains Spezialität waren taillierte Kleider, kurze Jacken und kegelförmig weite Röcke, die er mit Motiven und Schnörkeln verzierte, welche auch heute noch Herzstücke in der Kollektion Balmains darstellen.
Und so stattete jener 1965 das fliegende Personal der TWA mit Uniformen aus und kurz darauf die Kabinenbesatzung der Singapore Airlines.
Man stelle sich dieses graziöse Tamtam heutzutage in einer 777 auf dem Weg nach Chicago vor. Die Stewardess im letzten Fummel der Fashion Week, den Essenswagen vor sich herschiebend und dabei fröhlich flötend: ‚Chicken or Pasta‘?
Entzaubert, dank Massentourismus
Damals waren die Maschinen noch viel kleiner als heute und nicht mal annähernd zu vergleichen mit einem Riesenvogel wie der A380. Es gab gerade mal 50 Sitzplätze, welche allesamt einem Couchsessel ähnelten.
Stewardessen hatten noch Mühe den wohl gusseisern schweren Getränkewagen durch die Kabine zu hieven, während die Gäste rauchten und der Pilot durch die Gänge schlich und ein Schwätzchen mit den Passagieren hielt.
Ein höheres Passagieraufkommen und immer strengere Sicherheitsvorschriften verwandelten den Zauber des Fliegens in eine simple Fortbewegungsart, um den Massentourismus von A nach B zu chauffieren.
Aus den Gastgebern der Lüfte wurde das Bordpersonal, dass das zum Teil genervte und gestresste Publikum versorgen muss.
Mittlerweile kann sich fast jeder ein Flugticket leisten. Solange der Ticketpreis stimmt, kann auf Eleganz wohl verzichtet werden. Denn praktisch, schnell und halbwegs bequem muss es sein. Und dies spiegelt sich auch in der Reisekleidung der meisten Passagiere wider.
Während das Flugpersonal auch bei Billig-Airlines oder auf Stand-by Flügen hübsch angezogen sein muss, da sie immer noch die Airline repräsentieren, gestern wie heute, haben einige Passagiere mittlerweile den Glamour verloren.
Und wenn man wie ich, unterwegs noch Fluggäste erlebt, die barfuss durch die Gänge waten, was einfach völlig eklig und unhygienisch ist, denkt man sich: ‚Jetzt ist es gänzlich vorbei mit Stil über den Wolken‘.
Alles Premium in der Business?
Ich bin des Öfteren in der Business Class unterwegs, aber ich kann mich nicht erinnern, wann die Passagiere dort mal angezogen wären, wie für eine Vernissage im Pariser Künstlerviertel.
Man möchte meinen, dass sich die Gäste der Business Class und darüber, noch etwas Mühe geben und sich dem Wert ihres Flugtickets entsprechend kleiden.
Ich kann bestätigen, dem ist nicht (immer) so!
Warum auch? Heute gilt beim Reisen scheinbar Bequemlichkeit statt Luxus und der Sinn danach, sich für etwas „standesgemäss“ zu kleiden, scheint nebensächlich bis vergessen gegangen zu sein.
Solange das T-Shirt beim Boarding noch nicht knittrig aussieht, ist doch alles gut. Und überhaupt, gibt es so was wie Etikette im Flugzeug eigentlich noch?
Zwar existierten bis in den 80er-Jahren bei diversen Airlines noch Kleidervorschriften für Passagiere der Business Class, doch angewendet wurden sie schon damals kaum. Wäre ja auch Nonsens, wenn eine Airline tatsächlich noch mit Kleidervorschriften für die Passagiere um die Ecke kommen würde. Was aber nicht heissen soll, dass «anything goes“.
Wenn ich mich heute so im Flieger umschaue, auch in der Business, sehne ich mich nach Zeiten der glamourösen Grazie über den Wolken.
Denn was ich bisweilen sehe sind halbangetrunkene Passagiere mit fettigem Haar, Augenringen, zerknautschten Hobby-Klamotten, in Pyjamas (!!) und zerschlissenen Rucksäcken über den Schultern.
Modisch läuft also nichts da oben im Jetstream, wobei die Empfehlung der Airline Sprecher für die Gäste, punkto Kleiderordnung an Bord, lautet: Smart Casual.
Denn Kleider machen Leute! Auch auf 11‘000 Meter Höhe.
Letztlich eine Frage des Stils
Und sind wir mal ehrlich. Auch ein Flugzeug ist ein öffentlicher Ort, wie das Wartezimmer beim Arzt, die Oper oder das Restaurant. Es gibt auch im Flieger überhaupt keinen Grund, sich wie Lumpi anzuziehen. Schon allein aus Respekt vor den immer adrett gekleideten Flugbegleitern der Airlines.
Kurzum: Gemütlich, ja gerne. Aber ein Flugzeug ist weder ein Strand noch ein Club. Andere Passagiere haben nicht unbedingt Freude an gewissen unbedeckten Körperteilen wie Füssen, Achseln oder freiliegenden Bäuchen.
Wie gern hätte ich damals einen Flieger bestiegen, hätte in einem der Couchsessel Platz genommen und mich bei einem Cocktail mit den anderen Gästen und mit dem Piloten bei einem Schwätzen die Flugzeit vertrieben.
Und von der stilvoll gekleideten Stewardess hätte ich mir ein paar schwungvolle Handgriffe und Pirouetten-Formationen abgeschaut.
Boarding completed,
Anna